Die skulpturalen Farbraumkörper von Jan Scharrelmann könnten in ihren strömenden Farbverläufen, mal schwarz hinterfangen,mal grell leuchtend, kosmischen Ursprungs sein. Titel wie Eleusys, Thanatos und Hypnos (alle 2007) sowie Spheric und Cosmic (beide 2008) reißen ein ganzes Geflecht an schöpfungsgeschichtlichen und mythologischen Beziehungen auf.
Die Arbeiten thematisieren dabei ebenso die eigene Vergänglichkeit wie astrophysikalische Phänomene und speisen sich behände aus Science-Fiction und der gegenwärtigen Musik- und Alltagskultur. Die alchimistisch schillernden Farbkörper nehmen dabei monolithische bis polygonale Formen an, ihr Volumen ist teilweise hohl, in anderen Werken wirkt es wie verdichtete Materie.
Als wechselnde Aggregatzustände lesen sich verlaufende Farbflächen – von nebelartigen Schwaden über mineralische Maserungen bis hin zu stumpfen oder metallisch glänzenden Verbindungen. Ihr atmosphärisch bestimmendes Moment ist trotz der mithin monumentalen Ausmaße die Farbe: reines, in Epoxidharz gebundenes Pigment. Geht der Farbträger zuweilen eine Symbiose mit der eigentlichen Farb- oder Pigmentschicht in Form elastischer Glasfasermatten ein, ist es dabei häufig Styropor – mehr oder weniger grob geschnitten, als feine Scheibe oder massiver Block –, das der flächigen Farbschicht ihre orbitale Tiefe gibt.
Für Mad Hole (2010) wählt Scharrelmann fluoreszierende Komplementärfarben. Die stehende, konisch zulaufende Röhre auf pentagonalem Grundriss wirkt in ihrer dynamischen Form fast karussellhaft. Gravitationskräften setzt der Kölner Bildhauer eine Signalwirkung der Farbe entgegen, die den Betrachter einem schwarzen Loch gleich in sein leuchtendes Inneres hineinzieht. Diagonaler Anschnitt und leichte Kippung steigern die geradezu hypnotische Wirkung. Einige Flächen bleiben malerisch unbearbeitet, ihre offene Styroporstruktur und damit der bildhauerische Akt werden hier sicht- und erfahrbar. Insofern beschreitet auch Mad Hole I, dessen spiegelverkehrtes Pendant Mad Hole II von Anfang an mitgedacht wurde, jene Dualität, die sich durch nahezu alle Werkgruppen des Künstlers zieht. Die ästhetischen wie formalen Gegensatzpaare setzen sich bis hin zur wenig kategorisierbaren Janusköpfigkeit zwischen Skulptur und Gemälde fort, wobei der klassische Terminus Tafelbild auch noch in Form roh belassener Styroportafeln in Down to Earth (2008) seine Berechtigung behält.
In allen Werken, ob zweidimensionale Wandarbeit oder offen beziehungsweise blockhaft geschlossene Skulptur, manifestiert sich ein Urzustand der Materie, wie ihn bereits Yves Klein in seinen blauen Bildern zu erreichen vermochte. Für den in der Konsequenz seiner Zeit weit voraus arbeitenden Maler waren die Farben die wahren Bewohner des Raumes. Sie seien nicht nur natürlichen und menschlichen Maßes, sondern vor allem Ausdruck einer kosmischen Sensibilität. Scharrelmanns immaterielle Farbräume behaupten sich selbstbewusst im Angesicht jener ehrwürdigen Genealogie und können sich in archaischen Grundformen sogar noch körperhafter zeigen als ihre historischen Vorläufer.
Heike van den Valentyn, 2010